»Jeder arbeitet, bis er Symptome hat« Der Spiegel Magazin Nr. 13 Covid-19 Titelstory "Der Stresstest"
March 25, 2020
Felix von der Osten
Spread in DER SPIEGEL Nr. 13 Seite 8+9 “Der Stresstest”
For Der Spiegel, I visited the St.-Antonius-Hospital in Eschweiler and spent two days on the Intensive Care to photograph a reportage on the state of Emergency in German Hospitals due to the Covid-19 disease and its responsible virus SARS-Cov-2. I was very fortunate to be accepted and welcomed with open arms (on a distance of course ;)) to document the incredible work of all the health workers! The captions are partly taken from an Interview I did additionally for Der Spiegel Online to show my photoessay and my personal experience. It can be found here !
Der Fotograf Felix von Osten hat gemeinsam mit SPIEGEL-Autor Jörg Blech im St.-Antonius-Hospital im nordrhein-westfälischen Eschweiler recherchiert – nur 30 Kilometer vom Kreis Heinsberg entfernt, wo besonders viele Menschen mit dem Erreger Sars-CoV-2 infiziert wurden. Blech hat eine Reportage dazu geschrieben; hier schildert Fotograf Osten seine Eindrücke vor Ort.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/st-antonius-hospital-in-eschweiler-klinik-im-krisenmodus-a-fe84e6b5-845a-4caa-a2f0-ad41ca02d145
Bernd Rütten ist der pflegerische Leiter der Intensivstation im siebten Stock. Eigentlich hatte er geplant, freizunehmen - es ist der Tag seiner Silberhochzeit. Trotzdem arbeitet er in dieser Ausnahmesituation die ganze Schicht, sein Team bezeugt ihm klatschend Anerkennung. Rütten erzählt mir, er sei beunruhigt wegen der nächsten Wochen. Er wisse nicht, was auf das Krankenhaus zukomme.
Beim Koordinatsstab Sars-CoV-2 mit anderen Ärzten, stellt Prof. Dr. med. Uwe Janssens eine Studie aus China vor. Sie zeigt den Zusammenhang zwischen einer Computertomografie der Lunge und einem RT-PCR (Rachenabstich) bei 1014 Patienten zwischen 1/2020 und 2/2020 aus Wuhan. CT-Thorax wird im Rahmen der Diagnostik der COVID-19 Erkrankung als eine wichtige Ergänzung zur RT-PCR Testung auf SARS-CoV-2 eingesetzt. Die vorliegende Studie untersucht den diagnostischen Wert und Übereinstimmung des CT-Thorax mit der RT-PCR Testung auf SARS-CoV-2.
Jeden Morgen präsentiert Uwe Janssens, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin, die neuesten Zahlen zur Coronavirus-Pandemie. An diesem Tag zeigt er die Ergebnisse einer Studie aus China, in der zwei Nachweismethoden verglichen wurden: der Rachenabstrich, bei dem die Erbsubstanz von Sars-CoV-2 aufgespürt wird, und Computertomografie, bei der entzündete Areale der Lunge dargestellt werden. Außerdem gehen die Mitarbeiter das Tagesprogramm durch, klären Vertretungen für Kollegen. Für mich als Laien ist erstaunlich, wie schnell die Pfleger und Ärztinnen sich besprechen und dabei jeden zu Wort kommen lassen. Es wirkt sehr kollegial auf mich.
Ein Mitarbeiter der Intensivstation behandelt einen Patienten mit Covid-19 verdacht. Wenn Akute Symptome bestehen, werden Patenten so lange als "positiv" behandelt, bis die Testergebnisse der Labore eintreffen. Die Einmal- Schutzkleidung wird nach dem Aufenthalt im Zimmer mit Unterdruck (Infektionsgefährdend) entsorgt. Nur nach aktuellen Angaben die Maske nicht (da zu wenig vorhanden) die werden Zimmer spezifisch außerhalb aufgegangen und mehrfach benutzt. Auf der Intensivstation im St. -Antonius-Hospital in Eschweiler.
Jeder Mitarbeiter muss die ganze Schicht mit seiner FFP2-Atemschutzmaske auskommen und hängt sie nach dem Einsatz zum Trocknen auf. Jeder hat seine persönliche Maske beschriftet, manchmal mit seinem Spitznamen. Selbst das Tragen einer gewöhnlichen Atemschutzmaske nervt mit der Zeit, es kam mir vor, als würde ich durch ein T-Shirt vor dem Gesicht atmen. Beim Ausatmen ist der Sucher meiner Kamera immer wieder beschlagen.
Schwester Verena vor der Schleuse zu Zimmer 6 auf dem ein Covid-19 positiv Fall liegt.
Beatmungsmaske der v60 Beatmungsmaschine in Zimmer 5. Der 61-jährige Patient, der solch eine Maske getragen hat, hatte zunächst Angst, weil sie kräftig Luft in Mund und Nase drückt. Doch mit dieser speziellen Beatmungsmaske kann man Menschenleben retten. Und von dieser Maske haben sie hier im Hospital zu wenige Exemplare.
Man muss das Stäbchen weit hineinstecken: Krankenschwester Astrid Engels beim Rachenabstrich einer Kollegin. Jeden Mittwoch werden bei bestimmten Mitarbeitern des St.-Antonius-Hospitals Corona-Virus-Tests gemacht, auch bei solchen, die eigentlich zu Hause arbeiten und allein dazu in die Klinik kommen. Weil es so viele Tests sind, macht das Labor Überstunden und setzt eine zusätzliche Testmaschine ein. Das Hospital trägt die Kosten für die Tests allein, das zuständige Gesundheitsamt will dies bisher nicht übernehmen. Bei Patienten mit Symptomen und Coronavirus-Verdacht wird manchmal ein Analabstrich gemacht - das sorgt immer wieder für Witze unter den Mitarbeitern, wohl auch um ihre psychologische Spannung abzubauen.
Niemand will hier auf der anderen Seite der Schleuse liegen, die Schutzkleidung des Pflegers macht klar, wie ernst die Lage ist. Der Pfleger und Atmungstherapeut Thomas gibt einem 61-jährigen Mann mit der Lungenerkrankung Covid-19 Tipps, wie er besser Luft bekommen kann. Wenn Thomas etwas benötigt, dann reicht es ihm eine bereitstehende Krankenschwester durch die Schleuse. Der Einsatz hilft, später kann der Patient von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt werden.
Diese noch mit Folie abgedeckten Betten kommen desinfiziert aus dem Lager auf die Intensivstation. Doppelzimmer werden für eine Einzelbelegung freigeräumt, damit im Ernstfall Patienten isoliert werden können. Der Blick nach draußen ist beklemmend, hinter dem Fenster liegt die normale Welt. In den Gängen tragen alle Atemschutzmasken. Krankenschwestern, Pfleger und Ärztinnen arbeiten besonnen und konzentriert, aber es wird auch mal gelacht oder gesungen
Die Stimmung ist an diesen zwei Tagen trotz der ernsten Situation sehr gut. Der Chefarzt, die Oberärzte, die Krankenschwestern sind überraschend fröhlich und locker im Umgang, motivieren sich gegenseitig und machen viele Witze. Es wirkt sehr familiär auf mich, als wären alle Mitarbeiter eng befreundet. Sie zeigen sich mir als Fotograf gegenüber entspannt, bieten in der Pause Kuchen an. Und dass obwohl auf der Intensivstation insgesamt sechzig Frauen und Männer im Schichtdienst arbeiten und durchaus Anspannung herrscht. Die Stationen leihen sich gegenseitig Mitarbeiter aus, auch das bezeugt den funktionierenden Zusammenhalt im Krankenhaus.
Prof. Dr. Guido Michels, Chefarzt Zentrale Notaufnahme, In Eschweiler.
Nach der Schichtübergabe am Mittag ist Schwester Jacqueline erschöpft und traurig. Als sie merkt, dass ich sie fotografiert habe, lacht sie. Ein guter Freund von mir ist Arzt auf einer Intensivstation. Nach unseren Recherchen in Eschweiler habe ich ihm eine Nachricht geschrieben und meinen Respekt für seine Arbeit bekundet. Dadurch, dass ich erstmals so unmittelbar gesehen habe, was Pfleger und Ärztinnen alles tun, nehme ich die Coronavirus-Krise noch viel ernster. Das ist kein Spaß: Wenn wir nicht alle die nötige soziale Distanz einhalten, dann werden auch die Mitarbeiter der Intensivstationen an ihre Grenzen kommen.
FFP2-Atemschutzmasken hängen in der Schleuse vor einem Isolierzimmer. Durch knappes Material müssen die Masken zum trocknen aufgegangen werden und mehrfach benutzt werden. Von einer Maske pro Schicht bis 12 Stunden Tragezeit. Die Masken werden von den verschiedenen Krankenschwestern, Pflegern und Ärzten pro Zimmer personalisiert, damnit diese nicht verwechselt werden. Generell gibt es zu wenig Masken um diese jedes mal beim heraustreten aus einem Isolierzimmer zu entsorgen (wie es normalerweise der Fall wäre).
Autor Jörg Blech spricht über Krankenschwester Verena (die sich um den Positiv getesteten Patienten kümmert) mit einem Covid-19 positiv Patienten, im Schleusenbereich von Zimmer 6 des St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.
Bernd Rütten, Stationsleitung der Interdisziplinären Intensivstation auf der Intensivstation im St. -Antonius-Hospital in Eschweiler.
Auf dem Weg zum St.-Antonius-Hospital Eschweiler komme ich an einem abgesperrten Skatepark und einem verwaisten Spielplatz vorbei. In der Frühe ist der Parkplatz relativ leer. Am Eingang fällt mir sofort der große Handdesinfektionsmittelspender auf. Vor zwei Wochen wollten Angehörige trotz des Besuchsverbots hier durch. Jetzt regeln zwei uniformierte Mitarbeiter des Ordnungsamtes den Zugang. Nur wer einen Passierschein hat, darf rein.
"Jeder arbeitet, bis er Symptome hat. Anders ist es nicht mehr zu stemmen"
Das deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der besten der Welt. Doch das Coronavirus legt seine Schwächen gnadenlos offen. In den Krankenhäusern herrscht Ausnahmezustand. Lässt sich ein Kollaps wie in Italien noch abwenden?
Die SPIEGEL-Titelstory Nr. 13 / 21.3.2020